Wie stellen Sie sich ein FREIES EUROPA vor, Herr Prof. Frohnhofen?

Prof. Dr. Herbert Frohnhofen Mit Plato und seiner rund 1000 Jahre lebendigen Akademie steht Europa von Beginn an für eine Kultur des Suchens nach dem Wahren, Guten und Schönen. Das alltäglich Erlebte wird nicht nur daraufhin befragt, warum es so ist, wie es ist, sondern vor allem, wie es denn sein sollte, damit es sich dem Guten, dem Besten, dem Idealen für den Menschen noch ein Stückchen annäherte. So ist das Ideale von Beginn an das Eigentliche, jenes an dem der europäische Mensch sich orientieren möchte, auf das hin er zu leben und – wenn es in Extremfällen denn nötig ist – auch zu sterben bereit ist.

Da nimmt es nicht wunder, dass dieses Europa sehr offen ist für die auf den Juden Jesus von Nazareth gegründete, durch Paulus von Tarsus in die Kultur der Städte vermittelte Verkündigung eines Ideals der Freiheit, das auf der Liebe und Anerkennung der Menschenwürde basiert, welche ihrerseits als eine vom Schöpfergott geschenkte interpretiert wird. >Liebe und tu was Du willst< wird so das geflügelte und beflügelnde Wort eines Augustinus, der die antike Kultur resümierend den jüdisch-christlichen Impuls der gottgeschenkten Menschenwürde für jeden Einzelnen auf bahnbrechende Weise mit dem platonischen Ideal vom Guten, Wahren und Schönen vermittelt.

Wenn dann in der Folgezeit zum Teil eine drastische Verschattung geschieht und diese Ideale nicht nur trübt sondern auch konterkariert – Zwangstaufen, Kreuzzüge, Hexenverbrennungen u.ä. werden da zu Recht genannt -, stehen in der Neuzeit Martin Luther, die sich emanzipierende freie Vernunft und Wissenschaft sowie schließlich die französische Revolution als Chiffren für den nicht mehr aus der Welt zu schaffenden Freiheitswillen Europas.

Die Totalitarismen des 20. Jahrhunderts dürften gleichwohl die verheerendsten Infragestellungen des Freiheitsideals in Europa gewesen sein. Leider gelang es aber der Europäischen Union als der vielbeschworenen Antwort hierauf bisher nicht, den Eindruck zu widerlegen, als solle den nationalen Sozialismen des 20. Jahrhunderts nunmehr lediglich ein zwangsweise europäisierter Sozialismus entgegengestellt werden. Im Gegenteil: Die in Brüssel erdachten, oft phantasielosen und ineffektiven sowie vor allem überbürokratisierten Vereinheitlichungen von der Gurkengröße über die Hochschulstudiengänge bis hin zur gemeinsamen Währung lassen einzig den Schluss zu, dass hier gerade nicht Freiheit und Menschenwürde angezielt werden, sondern Uniformität, Machtkonzentration und Einheitsstaat.

So ist es nach den Fehlentwicklungen des 20. Jahrhunderts ebenso wie nach dem inzwischen misslungenen Versuch einer zwangssozialistischen Europäischen Union heute dringend an der Zeit, in Europa an die frühen Ideale der Freiheit und der Menschenwürde wieder anzuknüpfen und an die tatsächliche Suche nach dem Guten, Wahren und Schönen. Wie aber und wodurch anfangen damit?

Zunächst: Staatliches Handeln muss wieder als subsidiäres Handeln begriffen werden. In der aktuellen Europäischen Union haben wir uns daran gewöhnen müssen, dass alles und jedes von oben geregelt wird. Die europäische Zentralregierung schreibt mir nicht nur vor, welche Glühbirnen ich verwenden darf und wie das Benzin zusammengesetzt ist; sondern neuerdings werden sogar die von den EU-Staaten eigenverantwortlich gerissenen Schuldenkrater in den Staatshaushalten von der EZB gegen jede ökonomische Vernunft und gegen positiv geschriebene Recht sowie auf Kosten der verantwortlich wirtschaftenden Länder mit frisch gedrucktem Geld zugeschüttet. Das unterminiert nicht nur die Eigenverantwortung der Bürger und Staaten sondern auch das Vertrauen in Recht und Gesetz.

Eigenverantwortung und Subsidiarität wären demgegenüber das dringende Gebot der Stunde. Jeder einzelne Bürger, aber auch die Kommunen, die Länder, die Staaten, sollten wieder eigenständig ihr Leben und Zusammenleben gestalten dürfen, die je übergeordnete Einheit hingegen nur in Notfällen zu einer vorübergehenden und dann genau geregelten Hilfe eilen, die ihrerseits zur Selbsthilfe befähigt und ermutigt.

Ein dementsprechender Neuanfang bedeutete natürlich vor allem ein Stück Macht-Askese bei den politische Eliten. Sie haben sich allzu sehr daran gewöhnt, mit nur wenigen Personen in einzelnen Nachtsitzungen ganz Europa finanziell und wirtschaftlich neu zu ordnen. Schon die ihnen ohnehin weitgehend hörigen Parlamente werden als überflüssiger Ballast empfunden und neuerdings sogar offen bezeichnet. Dem muss dringend Einhalt geboten werden.

Um der Freiheit und der Menschenwürde willen muss der Einzelne und sein Gestaltungswille wieder etwas zählen dürfen. Freilich könnte es dann wieder mehrere Währungen geben, verschieden große Gurken und differierende Studienabschlüsse. Doch die Sonne der Freiheit und der Menschenwürde hätte wieder eine Chance in Europa.

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3 Antworten auf Wie stellen Sie sich ein FREIES EUROPA vor, Herr Prof. Frohnhofen?

  1. Fulgor sagt:

    Ich kann Herrn Prof. Frohnhofens Ausführungen nur ausdrücklich befürworten. Außerdem wünschte ich mir das wesentlich mehr Personen, ala Prof. Fronhofen, aus Wirtschaft, Kultur, Politik, des öffentlichen Lebens usw. in Deutschland endlich den Mut und das Rückgrat besäßen sich für ein freies Europa der kulturellen und ökonomischen Vielfalt und Zusammenarbeit einzusetzen.

  2. Pingback: Wie stellen Sie sich ein FREIES EUROPA vor, Herr Prof. Frohnhofen? | bikerpfarrer

  3. Winfried Becker sagt:

    Danke für dieses großartige Plädoyer für ein wahrhaft liberales Europa, dass vor allem auch den historischen Bogen von Plato bis in die Neuzeit nachzeichnet !

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