Ein neues, freies Europa beginnt sich zu formen

Die fünf Herausforderungen für ein neues Europa

von Volker Jach

Die Welt und mit ihr Europa verändert sich atemberaubend schnell – zu beobachten ist das sehr eindrücklich an den USA:

Obamas erste Amtszeit war zwar überraschend erfolgreich – er hat weit mehr erreicht, als vielen bewusst ist… …und das nicht nur, weil er die bis dahin aggressiv auftretende einzige Supermacht des Planeten gezähmt hat, die jedes Land, das ihr nicht passte bombardierte – aber schon allein deshalb wäre es ein Segen, wenn er die Wahl im November gewänne.

Was uns die USA – durch ihre staatsungläubige Struktur – aber ahnen lassen, sind die VIER ZUKÜNFTIGEN GESELLSCHAFTLICHEN GRÄBEN in Demokratien.
In Amerika gut zu beobachten, denn hier treten solche Entwicklungen immer wieder zuerst auf, weil sie nicht durch einen starken Staat gebremst oder umgelenkt werden, sondern sich relativ frei entfalten.

1. Der MARKT
Der erste Graben ist die Schere zwischen Markt-Radikalen, vertreten durch die Republikaner und denen, die den Markt zähmen wollen, den Demokraten. Obama steht für einen, durch die Demokratie kontrollierbaren Markt – Wirtschaft soll seiner Meinung nach nicht sich selbst dienen, sondern allen Einwohnern gleichermassen. Der Protagonist für die andere Richtung ist der Kandidat für das Vize-Präsidentenamt Paul Ryan: er ist Markt-radikal und steht für eine Wirtschaft ohne moralisch und ethisch begründete Einschränkungen.

2. Die SOZIALE FRAGE
Obama hat, nach europäischem Vorbild, die Krankenversicherung für (fast) alle eingeführt. Eigentlich untypisch für die (ehemaligen) Amerikaner, die bisher versucht haben, ohne jeden Staat auszukommen – die heftige Reaktion in den USA konnten und können wir beobachten.
Europa ist in dieser Entwicklung wesentlich weiter und hat eine breite Transfer-Struktur entwickelt – einzigartig in der Welt – allerdings eben auch mit den entsprechenden Problemen. Es wird auch in Europa einen heftigen „Kampf“ zwischen denen geben, die das System eher bezahlen und denen, die von ihm eher profitieren.

3. Die BEVÖLKERUNGS-STRUKTUR
Die Euro-Amerikaner sind schon bald die Minderheit in den USA. Afro-Amerikaner und Lateinamerikaner werden die Mehrheit stellen. Spanisch wird die zweite Amtssprache der Amerikaner werden. Die weisse Bevölkerung reagiert darauf sehr extrem, wie z.B. auf die Wahl des ersten schwarzen Präsidenten. Allerdings ist es nicht aufzuhalten: Die „Herrschaft“ der Euro-Amerikaner in den USA neigt sich aber dem Ende entgegen.

In Europa ist das zwar nicht so extrem. Es wird aber – sicherlich wesentlich später – die ehemals aus den diversen Völkerwanderungen entstandene, heute als Ureinwohner wahrgenommene „einheimische“ Bevölkerung, durch die neuen Wanderungsbewegungen stark verändern. So wird Deutschland – erfreulicherweise – seit vielen Jahren verjüngt durch neue Einwanderer, so, wie es seit Jahrtausenden natürlicherweise schon der Fall ist.

4. Die RELIGION
Die USA entwickeln sich – quer durch weisse, afro- oder latein-amerikanische Gruppen zu einer eher christlich fundamentalistischen Gesellschaft. Eine über 2000-jährige Philosophie kann allerdings keine Antworten auf die heutigen Fragen geben und so „dient“ die Religion dazu, weiten Schichten der Bevölkerung gleichsam eine „Ablenkung“ zu geben.

Erstaunlicherweise entwickeln sich die USA hier nicht wesentlich weiter. Europa hat, dank seiner Tradition der Aufklärung, sogar global einen erheblichen Vorsprung und zieht einen grossen Teil seiner Kraft aus den freiwerdenden Energien, die in den USA durch die Glaubens-Fesseln gebunden bleiben – mehr als ausgeglichen allerdings durch die wesentlich geringeren Fesseln der Wirtschaft.

Aber in anderen Gegenden der Welt, z.B. in Arabien, erleben wir, dass beide Fesseln aktiv sind und das Leben strangulieren.

Europa profitiert von seiner relativ religionsfreien Gesellschaft, wird aber eine Philosophie entwickeln müssen, die zwar ohne den Glauben an ein höheres Wesen auskommt, aber trotzdem die Werte einer starken und sozial orientierten Gesellschaft hochhält.

Ein FÜNFTES kommt hinzu, was sich global abzeichnet: der Wettbewerb zwischen AUTORITÄREN und DEMOKRATISCHEN Staatsformen. Der frühere Kampf zwischen Marktwirtschaft und Planwirtschaft ist entschieden – die Marktwirtschaft ist inzwischen das Wirtschaftsmodell des gesamten Globus. Erhebliche Unterschiede gibt es allerdings z.B. zwischen der chinesischen Variante und der europäischen.

Beide sind erfolgreich, allerdings ist die autoritäre Variante fähig, durch weniger (europäische) ethische, moralische und ökologische Zwänge die Wirtschaft „freier“ und somit wandlungsfähiger zu gestalten. Im Ergebnis können autoritäre Marktwirtschaften einfacher und schneller wachsen – ein Problem für die eher demokratischen Gesellschaften mit ihren komplizierten und zum Teil langsamen Entscheidungsprozessen.

Diese fünf Herausforderungen werden die kommenden Jahre bestimmen – wer sie am besten löst wird in diesem Jahrhundert Erfolg haben.

Was heisst dies alles für Europa?

Für Europa bleibt festzuhalten:

  1. Die Europäer sind sich untereinander wesentlich ähnlicher als im Vergleich mit anderen Regionen der Welt
  2. Europäische Werte und Vorstellungen wurden durch die europäische Beherrschung der Welt über lange Zeit von den Europäern als globale Werte missverstanden
  3. Asien ist geschichtlich wesentlich älter und begehrt gegen das europäisch/amerikanische Diktat von Werten und Systemen auf
  4. Die europäische Form des Staates, die Demokratie, setzt sich global durch
  5. Europa hat durch sein ausgewogeneres gesellschaftliches Modell einen erheblichen Vorteil gegenüber anderen Regionen in der Welt

Europa tritt als einzige jemals den Globus beherrschende Gegend der Welt ab und es wird keinen Nachfolger geben – denn bei aller Stärke der USA, kein Land wird jemals allein wieder so mächtig sein, dass es eine Stellung einnehmen kann wie die Europäer es taten.

In Europa werden wir uns diesen „Rückzug“ klar machen müssen: wir haben Werte und Vorstellungen, die wir der Welt aufgedrückt haben – jetzt werden andere Regionen der Welt ebenfalls wirtschaftlich (und militärisch) stark und richten sich nicht mehr automatisch nach Europa. Wir stehen jetzt im Wettbewerb, einem interessanten und spannenden, aber auch einem scharfen Wettbewerb.

Ein neues Europa beginnt sich zu formen – wenn wir unsere europäischen Werte erhalten wollen, sollten wir in Europa zusammenarbeiten und den Wettbewerb mit anderen Regionen gemeinsam aufnehmen.

Dieses Europa wäre auch ein Erfolgsmodell für die Zukunft – und könnte diesmal ohne militärischen Druck- der Welt als ein Beispiel für eine freie, friedliche und wirtschaftlich erfolgreiche Nation dienen.

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