Kaum bildet sich eine Initiative zur Gründung einer neuen sozialliberalen Partei und schon bricht sie wieder los, die Diskussion, ob das denn möglich sei: Sozial und liberal?
Ist dieses Thema unter uns Liberalen nicht schon längst durch? Ist das denn nicht schon längst ausdiskutiert? Sozial und liberal ist doch nach der reinen liberalen Lehre der wandelnde Widerspruch. Liberal ist sozial! Und damit aus! Basta! Darin sind sich alle Hardcoreliberalen einig.
Und jetzt kommt es schon wieder daher. Dieses Schreckgespenst aus den 60er und 70er Jahren biegt als neue Partei um die Ecke und schreckt alle anständigen Liberalen und unter ihnen besonders die Libertären mit dem Pfuiwort Sozialliberalismus auf. Dabei wird doch gerade der Sozialliberalismus verdächtigt, am Untergang der FDP mit schuldig zu sein.
Sozialliberalismus: Unter Liberalen ein ewiges Streit- und Stressthema.
Dabei könnten wir es alle so easy miteinander haben. Ist doch Sozialliberalismus nur dann ein liberales Stressthema, wenn man sich dieser Angelegenheit ausschließlich über das Instrumentarium und über die Denke der Parteipolitik annähert.
Was wir Liberalen bei dieser Diskussion nämlich immer gern vergessen: Liberalismus ist keine politische Ideologie, sondern eine Sozialphilosophie. Wenn wir also die soziale Frage stellen, dann müssen wir versuchen, sie sozialphilosophisch und nicht (partei)politisch zu beantworten.
Was sich für liberale Parteipolitiker dem Grunde nach verbietet, davor darf der Liberale als solcher nicht zurückschrecken.
Wenn sich Najib Karim und Sylvia Canel nun anschicken, mit einer neuen sozialliberalen Partei an den Start zu gehen, dann dürfen sie nicht hergehen und versuchen, soziale Fragen durch dieselben Instrumentarien lösen zu wollen, die Liberale zurecht verteufeln. Steigen sie zu ihnen in dasselbe Boot und ringen lediglich mit den anderen Parteien bei der Umverteilung privat erwirtschafteter Gelder um ein anderes, womöglich „noch gerechteres“ Verteilungsverhältnis, dann sitzen sie nämlich bereits in der liberalen Falle. Umverteilung geht nach der reinen liberalen Lehre gar nicht! Egal wie gerecht oder ungerecht schlussendlich die Lösung aussehen soll.
Wie sieht die Lösung aus diesem Dilemma stattdessen aus? Sylvia Canel und Najib Karim dürfen sich gerne als Sozialliberale bezeichnen. Denn das ist meiner Ansicht nach durchaus etwas, was eine gewisse Wählerschicht anspricht. In den Augen vieler Wähler war die FDP zu wirtschaftsorientiert, hatte als Klientelpartei um die Stimmen von Ärzten, Zahnärzten, Apothekern, Hoteliers und Unternehmern geworben. Ihr hängt immer noch das Image der sozialen Kälte an.
Davon weg zu kommen, kann daher taktisch äußerst klug sein, doch wie bekommt man das hin, gleichzeitig sozial und liberal zu sein? Indem man sich eben nicht nur auf Parteipolitik reduziert. Wenn sie klug sind, dann positionieren sich Najib Karim und Sylvia Canel nicht nur als Funktionäre einer liberalen Partei, sondern versuchen außerhalb des Politikbetriebes das soziale Element zu pflegen. Und zwar so, wie es die reine liberale Lehre vorsieht: In Form von bürgerschaftlichen Engagements, durch die Pflege des Charitiygedankens und durch zivilgesellschaftliche Vorbildfunktion.
Das stünde jedoch allen Liberalen gut an. Nicht nur Sylvia Canel und Najib Karim.