Die Euro-Retter zerstören, was sie vermeintlich retten wollen, unsere rechtsstaatliche Demokratie: Euro-Krise und öffentliche Doppelmoral

Von Prof. Dr. Hans-Walter Forkel

Für alle Bürger in Deutschland – in den anderen Ländern Euro-Ländern gibt es entsprechende Vorschriften – gilt § 42 AO (Abgabenordnung)  Missbrauch von rechtlichen Gestaltungs-möglichkeiten:

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden …
(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

Mit anderen Worten: Wer wirtschaftliche Sachverhalte rechtlich in einer Weise gestaltet, die ausschließlich der Umgehung von Steuern dient, wird vom Staat dennoch so besteuert, wie es einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entspricht. Darüber hinaus gilt: Wenn der Steuerpflichtige das Geschehen gegenüber den Finanzbehörden nicht vollständig offenlegt und dadurch versucht, das Vorliegen einer Gestaltung, die als Steuerumgehung beurteilt werden könnte, zu verschleiern, kann er sich zudem der Steuerhinterziehung strafbar machen. (1)

DPA meldet am 18.08.2012, dass sich die Eurozone auf den Hellas-Exit aus dem Euro vorbereitet. Nach dem Notfallplan soll die Europäische Zentralbank (EZB) im Mittelpunkt der Operation stehen. Die EZB solle zusammen mit dem neuen europäischen Rettungsschirm ESM Staatsanleihen überschuldeter Staaten aufkaufen. Dabei soll das Verbot der direkten Staatsfinanzierung durch die EZB mit einem Trick umgangen werden. So soll der ESM am Kapitalmarkt die Papiere aufkaufen und damit die Zinslast der Staaten senken. Die Anleihen reiche der Rettungsfonds an die Zentral-bank weiter. Die Zentralbank darf laut ihrer Satzung nur “gehandelte” Staatspapiere kaufen, also Anleihen vom Sekundärmarkt. Mit dem frischen Geld der EZB könne dann der ESM erneut aktiv werden.

Jeder Steuerpflichtige, der derartige Tricks anwendete, würde dennoch voll besteuert werden, zudem wegen Steuerhinterziehung angeklagt und öffentlich von Politikern an den Pranger gestellt werden.

Heiligt der Zweck bei der Euro-Krise die Mittel? Im Soziallabor Familie erlebe ich, dass jeder Verstoß von mir als Vater gegen Regeln, deren Beachtung ich von den Kindern verlange, sofort einen empörten Ordnungsruf der Kinder hervorruft. Verstoße ich erneut gegen die Regel, fühlen sich die Kinder auch nicht mehr daran gebunden. Die Regel gilt nicht mehr.

Wie soll ein Gemeinwesen funktionieren,  wenn die Eliten wieder und wieder offen – oder auf plumpeste Weise verdeckt – gegen die selbstgesetzten Regeln verstoßen?

Das sogenannte Böckenförde-Diktum „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ lautet heute: Der freiheitliche, säkularisierte Staat zerstört die Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Damit ist der demokratische Rechtsstaat auf dem Weg, sich bei seiner vermeintlichen Rettung selbst zu zerstören.

(1) Nach Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Steuerumgehung, online im Internet:
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/54531/steuerumgehung-v4.html
Dieser Beitrag wurde unter Finanzen, Kultur, Politik, Recht veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort auf Die Euro-Retter zerstören, was sie vermeintlich retten wollen, unsere rechtsstaatliche Demokratie: Euro-Krise und öffentliche Doppelmoral

  1. Prof. Herbert Frohnhofen sagt:

    Sehr gut nachvollziehbar.

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>