Mit dem Kabinettsbeschluss zum so genannten Leistungs-schutzrecht ist eine Debatte losgetreten worden, bei der sowohl die Befürworter als auch die Kritiker mit (zum Teil) viel Polemik aufeinender losgehen. In diesem Artikel wollen wir versuchen, die Diskussion auf den Kern zurückzuführen. Dazu haben wir die ausgewiesene Internet-Spezialistin Michaela Merz gebeten, die wesentlichen Fragen zu beantworten. Michaela Merz hat das Internet in Deutschland mit aufgebaut, wesentliche Erfindungen und Entwicklungen zur Entwicklung des Internets beigetragen (z.B. die Internet-Telephonie), arbeitet weder für Google, noch für Verlage und betreibt auch kein Blog oder eine andere Dienstleistung, die in irgendeiner Weise vom Leistungsschutzrecht berührt würde. Michaela Merz ist also durchweg ‘neutral’.
Andreas Stein: Michaela – wie findest Du Google?
Michaela Merz: Ich bin kein Google-Fan und betrachte Google’s Einfluss zunehmend kritisch. Mit einem Marktanteil von mehr als 90% in Deutschland bestimmt Google immer mehr, was wir im Internet sehen, finden oder zur Kenntnis nehmen.
Andreas Stein: Dann ist das Leistungsschutzrecht doch vielleicht eine Möglichkeit, Google in die Schranken zu weisen.
Michaela Merz: Das Leistungsschutzrecht bewirkt genau das Gegenteil. Google wird durch dieses Gesetz zu einer Art “Verteidiger des Internets” und macht das auch ganz geschickt. Google wird aus dieser Sache wohl gestärkt hervorgehen.
Andreas Stein: Zum Leistungsschutzrecht – was wollen die Verlage?
Michaela Merz: Die Verlage wollen verständlicherweise ihre Inhalte schützen. Die Verlage wollen aber auch im Internet gefunden werden. Sie brauchen die Klicks, damit Artikel – und natürlich die Werbung zu den Artikeln, angesehen werden. Dazu werden von den Verlagen so genannte “Snipplets”, also kleine Textauszüge, bereitgestellt, die von den Suchmaschinen gefunden, angezeigt und mit dem Artikel verlinkt werden.
Andreas Stein: Die Verlage stellen diese Kurzinfos, also Anreisser, selbst zur Verfügung? Die Suchmaschinen bedienen sich also nicht einfach so am Inhalt einer Webseite?
Michaela Merz: Wie alle anderen Firmen geben sich auch die Verlage die Mühe, diese Snipplets so zu formulieren, dass sie auch möglichst oft angeklickt werden. Das ist ein Bestandteil der SEO – “Search Engine Optimization” also Suchmaschinen-Optimierung.
Andreas Stein: Und wie hängt das jetzt mit dem Leistungsschutzrecht zusammen?
Michaela Merz: Die Verleger möchten, dass die Suchmaschinen für diese Snipplets nun bezahlen. Mit anderen Worten: Sie möchten von den Suchmaschinen gefunden werden und von den Suchmaschinen bezahlt werden, wenn die Suchmaschinen diese Snipplets anzeigen. Das macht die Sache ja so .. sagen wir .. schwierig.
Andreas Stein: Damit wir das richtig verstehen: Die Suchmaschinen sollen dafür bezahlen, dass sie die Besucher auf die Seiten der Zeitungen weiterleiten?
Michaela Merz: So erscheint es – ja.
Andreas Stein: Wenn die Verlagen nicht wollen, dass die Kurztexte oder Snipplets bei Suchmaschinen auftauchen – wie könnten sie sich denn ohne ein Gesetz wehren?
Michaela Merz: In dem sie die Snipplets nicht mehr bereitstellen. Zusätzlich könnten sie die weltweiten Internet-Regeln nutzen, um Suchmaschinen explizit den Abruf Ihrer Seiten zu verbietet. Quasi ein “Zutritt verboten” Schild für Google&Co.
Andreas Stein: Aber dann würden die Zeitungen doch auch nicht mehr bei den Suchmaschinen gefunden?
Michaela Merz: Das ist korrekt. Deshalb dieses Gesetz. Verleger wollen gefunden werden und zusätzlich dafür Geld erhalten.
Andreas Stein: Und nun?
Michaela Merz: Schwierig. Denn die Implikationen sind deutlich komplexer und betreffen nicht nur die Suchmaschinen, sondern auch andere ‘gewerbliche’ Nutzer. Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, dass einen Zeitungsartikel auf Facebook teilt. Oder einen kleinen Blogger, der zwar mit seinen Werbebannern nur ein paar Euro verdient, aber möglicherweise schon als ‘gewerblich’ gilt. Auch andere Internet-Dienste, die in irgendeiner Form auf die Daten anderer Webseiten zugreifen, z.B. Presivergleichsportale, oder META-Jobbörsen müssen ihr Geschäftsmodell überprüfen. Kompliziert wird es auch dadurch, dass automatische Systeme gar nicht erkennen können, welche Webseite nun gefunden und zitiert werden will und welche nicht. Heute will die Webseite “A” zitiert werden, morgen schicken die vielleicht eine Abmahnung. Es gibt nichts, keinen Standard, an dem automatische Systeme das erkennen könnten.
Andreas Stein: Wie werden sich die Suchmaschinen wohl verhalten? Wird Google Geld bezahlen?
Michaela Merz: Google hat schon, mehr oder weniger deutlich, zum Ausdruck gebracht, dass sie das nicht machen werden. In Belgien haben die Verleger ja schon ähnliches Versucht – Google hat daraufhin die betreffenden Verlage aus dem Suchindex geworfen. Die Verlegen haben dann per Klage erreicht, dass sie wieder gelistet werden. Und alles ist, wie es vorher war.
Andreas Stein: Zum Abschluss: Kann man ein Leistungsschutzrecht machen, was alle Seiten zufrieden stellt?
Michaela Merz: Man muss klar sagen, dass man es nicht billigen kann, wenn automatisierte Systeme die internationalen Regeln des Internets missachten oder auf Daten zugreifen, die klar nicht für automatisierte Systeme bestimmt sind. Das könnte man in Form eines Leistungsschutzrechtes machen. Wer aber im Internet gefunden werden will, muss damit leben, dass die Suchmaschinen eben auch etwas zum Link stellen. Text-Snipplets sind im Prinzip mit kleinen Bildchen – sogenannte “Thumps” vergleichbar. Muss eine Suchmaschine für das Verlinken einer Webseite mit einem “Thump” eine Urheberrechtsabgabe zahlen? Diese wurde bereits durch das Landgericht Erfurt klar mit “NEIN” beantwortet.(Aktenzeichen 3 O 1108/05) Im Urteil heisst es:
[..] In dem zu dieser Homepage gehörenden Quellcode (vgl. Anlage B 9) sind die Befehle in der so genannten „robots.txt-Datei”, die ein Auffinden der gesamten Webseite bzw. von Teilen davon durch Suchmaschinen verhindern, nicht aktiviert.
[..] Die Kammer vertritt daher die Ansicht, dass ein Berechtigter, der ein Werk im Rahmen seines Internet-Auftritts allgemein und kostenlos zugänglich macht, stillschweigend sein Einverständnis mit Vervielfältigungen erklärt, die mit dem Abruf des Werkes notwendig verbunden sind (vgl. Berberich, MMR 2005 147).
[..] Wenn er so viele Zugriffe wie möglich erzielen und die Aufmerksamkeit für seine Seite erhöhen möchte, muss er als Anbieter der Webseite mit Handlungen zum Zwecke des Zugriffs stillschweigend einverstanden sein. Ist er das nicht, kann er insbesondere den Zugriff durch die Suchmaschine der Beklagten zu 2) durch entsprechende Befehle im Quellcode leicht verhindern.
Andreas Stein: Michaela, ich bedanke mich herzlich für dieses informative Gespräch und wünsche Dir für Deine weitere Arbeit – besonders auch bei www.liberalebasis.de – viel Erfolg!
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